Kapitel 2: Verse Ephesus: 1a; 1b; 2.3; 6; 4; 5; 7; Smyrna8; 8b; 9; 10a; 10b; 11; Pergamon12a; 12b; 13a; 13b; 14.15; 16; 17; Thyatira: 18a; 18b; 19; 20; 21; 22.23a; 23b; 24.25; 26.27; 28; 29               
                                        Off. 2 - Auslegung als PDF                 Parallelstellen u. Exegese einzelner Wörter


                                                                        2. Kapitel              

                                                        Christus an seine Gemeinde

                                                                       Offenbarung 2-3

Offenbarung 2

1. An die Gemeinde in Ephesus: die erste Liebe zu Jesus
Offenbarung 2, 1-7


Offb. 2,1a: „Dem Engel der Gemeinde in Ephesus schreibe."


Alle Briefe tragen dieselbe Überschrift. Sie sind an den Engel der Gemeinde gerichtet. Die erste Christenheit hat hierunter die Vorsteher der Gemeinden verstanden und wird damit das Rechte getroffen haben, denn an wirkliche Engel, die der unsichtbaren Welt Gottes angehören, kann man keine Briefe schreiben. Wirkliche Engel kann man nicht auffordern, selbst Buße zu tun und in der Gemeinde Zucht zu üben. Die ganze Fragestellung nach der ersten Liebe zum Herrn kommt für Engel nicht in Frage. Der griechische Ausdruck für Engel heißt auf deutsch einfach Bote oder Gesandter. Das entsprechende hebräische und aramäische Wort wird ganz allgemein für die Priester und andere Beauftragte Gottes angewandt. Da dieser Sprachgebrauch dem Apostel Johannes vertraut war, ist es gut verständlich, dass er diesen Ausdruck auch hier für den Leiter der Gemeinde verwendet.
Immer hat es einen Leiter der Gemeinde gegeben, wie den Jakobus in Jerusalem und den Timotheus in Ephesus, nur daß diese im ersten Jahrhundert keine solch überragende Einzelstellung hatten, wie sie sich später entwickelte und den Berufspriester zur Folge hatte, der alles allein ordnete und das ausschließliche Recht zur Leitung der Gemeinde hatte. In der neutestamentlichen Zeit ist der Vorsteher der Gemeinde Glied einer Bruderschaft von Ältesten, die sich miteinander um die Gemeinde sorgt und ihr dient. Die Gabe der Leitung ist Römer 12,8 mitten zwischen den anderen Gaben zum Dienst genannt.
Die sieben Briefe des erhöhten Herrn an seine Gemeinde sind nicht ausschließlich an den einen Bruder gerichtet, der einer Gemeinde sonderlich vorsteht. Neben der Anrede „Du" tritt die Anrede „Ihr" auf. Die Briefe sind nicht nur an den Vorsteher

Christus an seine Gemeinde

der Gemeinde gerichtet, sondern zugleich an die Gemeinde selbst. Der Schluß jedes Briefes lautet: „Wer ein Ohr hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt." Hieraus wird klar daß die Briefe nicht nur an einzelne Persönlichkeiten, sondern an die Gemeinden selbst gerichtet sind. Die Formulierung des Schlußsatzes ist so allgemein gehalten, daß jeder Leser an die Gesamtheit aller Gemeinden Jesu denken muß und nicht nur an die sieben Gemeinden, die mit Namen genannt sind. In der Tat haben die sieben Briefe des erhöhten Herrn, die er durch den Apostel Johannes niederschreiben ließ, zu allen Zeiten und an allen Orten tiefen Eindruck auf die Gemeinde Jesu auf Erden gemacht und eine entscheidende Seelsorge in ihrer Mitte ausgeübt.

Wer spricht in den sieben Briefen?




Offb. 2,1b: „Das sagt der, der die sieben Sterne in seiner rechten Hand hält, der mitten unter den sieben goldenen Leuchtern wandelt."


Wir wundern uns, daß der Herr die Ältesten seiner Gemeinde, die doch begrenzte Menschen mit vielen Fehlern und Schwächen sind, mit Sternen vergleicht, die klar und untrüglich den Weg zeigen. Das ist sein Wunderwerk, daß er das Evangelium nicht durch Engel und Heilige ausrichten läßt, sondern durch Sünder, denen viel gebricht.
Es gibt weder im Neuen Testament noch in der Gegenwart Idealgemeinden Jesu Christi. Jede Gemeinde ist eine Gemeinde aus Bruchstücken, weil Jesus nicht für Heilige, sondern für Sünder gestorben ist und in der ganzen Geschichte das Kranke, Schwache, Hilfsbedürftige, das, was vor der Welt nichts ist, gerufen hat, um sich seiner anzunehmen. Dabei ist freilich anzumerken, daß es überhaupt keine anderen Menschen auf Erden gibt als kranke, schwache, hilfsbedürftige und daß jedes andere Selbstbewußtsein eines Menschen Blindheit und Einbildung ist. So besteht jede Gemeinde Jesu aus einem Haufen Scherben, aus denen sein Meisterwerk im Laufe einer langen Geschichte etwas Ganzes machen will. Er wird mit seiner Gemeinde zum vollen Ziel kommen, aber noch ringt sein Werk mit all dem Stückwerk und all der Sünde seiner Kinder.

Das Wunder der Gemeinde Jesu

Erstaunlich, daß dennoch die Gemeinde Jesu auf Erden ein Leuchter sein soll, von dem ein helles Licht ausgeht. Das ist nur möglich, weil Jesus Christus selbst inmitten seiner Gemeinde ist, der soviel gebricht. Die Verdunkelung geht von uns aus, die Leuchtkraft von ihm. Es ist sein Geheimnis, wie er es fertigbringt, durch all unsere dunklen Schatten hindurch aufleuchten zu lassen, daß er in diesen Menschen Wohnung gemacht hat und wirklich in ihrer Mitte gegenwärtig ist.
Es ist aber nicht selbstverständlich, daß jemand dies wahrnimmt. Dazu bedarf es einer besonderen Offenbarung und eines besonderen Blicks, den nur Jesus selbst geben kann.
Wenn wir eine Gemeinde des Herrn Christus mit dem uns angeborenen Sehvermögen beobachten, nehmen wir nur eine Schar höchst mangelhafter Menschen wahr, die uns vielfältig ärgert und Anstoß gibt. Es ist darum immer wieder ein Wunder, wenn ein Mensch mehr wahrnimmt, als der gewöhnliche Blick sieht, und aus dieser berüchtigten Schar aufleuchtet, daß Jesus Christus in ihrer Mitte ist und wirklich lebt. Aber noch immer ist Jesus zu seinem Wort gestanden, daß jeder, der aus der Wahrheit ist, seine Stimme hört. So ist eine Gemeinde des Herrn Christus ein Leuchter, der seine Leuchtkraft nicht aus uns, sondern aus ihm hat.
Ebenso verwunderlich ist es, daß Jesus seine Gemeinden sogar mit goldenen Leuchtern vergleicht, wo soviel Unedles ihnen anhaftet, weil sie alle noch nicht am Ziel sind. Wie die Leuchtkraft der Gemeinde nicht an ihrer eigenen Beschaffenheit hängt, sondern an dem Herrn, der in ihrer Mitte ist, so ist auch der Vergleich mit solch edlem Metall nicht möglich aufgrund der persönlihen Verfassung der Gemeinde, sondern nur im Blick auf den, dessen Vergebung sie vor Gott rein wusch und der in ihr sein wunderbares Werk hat.
Der erhöhte Herr wandelt inmitten seiner Gemeinde auf Erden. Er ist nicht ferne von ihnen, sondern mitten unter seinen Gemeinden. Er ist der Allgegenwärtige und Allwissende. Er sieht alles. Er schaut bis auf den Grund. Ihm ist nichts verborgen. Ihn können wir nicht täuschen. Er durchschaut die innere Verfassung seiner Gemeinde. Darum vermag er ihr treuer Seelsorger zu sein, der allezeit das Richtige trifft und seiner Gemeinde wirklich zu helfen

Christus an seine Gemeinde

vermag. Darum ist er aber auch ihr unbestechlicher Richter von dessen Wort unser aller Schiksal jeden Augenblick abhängig ist. Nur der, den er als Glied seiner Gemeinde ansieht, ist es wirklich. Er allein weiß, wer ihm verbunden ist und seinem Einfluß offensteht.

Die Freude des Herrn an seiner Gemeinde


Offb. 2,2.3: „Ich weiß deine Werke und deine Mühe und deine Ausdauer und daß du Schlechte nicht ertragen kannst. Und hast auch die, die sich als Apostel ausgeben und es nicht sind, auf die Probe gestellt und sie als Lügner erfunden. Du hast Ausdauer und hast um meines Namens willen (Schweres) ertragen und bist nicht müde geworden."


Mit königlicher Vollmacht spricht der erhöhte Herr das Wort aus: „Ich weiß." Seinem Blick ist nichts verborgen. Er übersieht die ganze Lebensgeschichte eines jeden einzelnen und aller Gemeinden. Er weiß ihre „Werke": das, was aus der Glaubensverbundenheit mit ihm gewachsen ist. Dazu gehören die Früchte des Geistes ebenso wie das tapfere Zeugnis für Jesus. Dazu gehört das ganze Leben unter Christus und der ganze Dienst für Christus, die ganze innere Haltung, die aus der Gemeinschaft mit Christus wuchs, all die Mühe und Ausdauer, die notwendig ist, um seine Gemeinde zu bauen.
In der Gemeinde zu Ephesus ist seit den Tagen, da Paulus die Botschaft von Christus in Ephesus aussprach (Apg. 19), wirklich etwas gewachsen. Es ist eine Freude, das Leben der Gemeinde zu sehen. Ihr Leben ist neu geprägt worden. In dem Einsatz für Christus hat sie keine Mühe gescheut. Leben und Dienst für Christus waren nicht eine vorübergehende Aufwallung des Gemüts, sondern eine echte, stetige Haltung, die die Gemeinde mit ganzer Ausdauer verfolgte.
Der Gemeinde zu Ephesus war eine echte, ausschließende Kraft und Gemeindezucht eigen. Sie konnte die Menschen nicht tragen, die sittliches Gift in ihre Mitte trugen. Die Gemeinde war mächtig genug, um solches Gift auszuscheiden. Sie war nicht in der Lage, einen Kompromiß mit Lebenslinien einzugehen, die ihrem Herrn widersprachen. Sie waren ebensowenig in der Lage, Menschen Raum zu geben, die das Evangelium von Jesus Christus verfälschten

Echte Gemeinde

und andere Botschaften damit verbanden oder die aus unlauteren Motiven eine Wirksamkeit unter dem Namen Jesu entfalteten. Die Gemeinde besaß ein geistliches Urteilsvermögen und durchschaute die falschen, unechten Brüder. Sie konnte es nicht tragen, daß in ihrer Mitte eine Verkündigung geschah, die nicht ihrem Herrn gemäß war und ihm nicht seine einzigartige Stellung als dem alleinigen Heil vor Gott beließ.
Es gab in ihrer Mitte eine echte Gemeindezucht sowohl nach der Seite der praktischen Lebenshaltung wie nach der Seite der lehrmäßigen Verkündigung.
Die neutestamentliche Gemeinde kennt keine unterschiedslose Toleranz. Die Liebe Jesu, die nach
1. Korinther 13 alles duldet, alles trägt, alles glaubt, alles hofft, bedeutet nicht, daß sie auch dem in ihrer Mitte Raum gibt, was ihrem Herrn widerspricht. Die neutestamentliche Gemeinde besitzt eine ausschließende Kraft und kann sich von Botschaften scheiden, die das Wesen des Evangeliums verdunkeln.
Das Leben jeder Gemeinde Jesu ist ein schwerer Kampf, der nie endet, ein heißes Ringen, das nie aufhört. Darum ist es ein großes Wort, wenn der erhöhte Herr von einer seiner Gemeinden sagt: „Du hast Ausdauer und hast getragen um meines Namens willen und bist nicht müde geworden." Das, was sittlich faul war, und das, was der Botschaft von Christus nicht entsprach, konnte die Gemeinde nicht tragen. Aber das Schwere, die Verfolgung, den Spott, die Angriffe von außen hat sie tapfer getragen. Sie ist unter all dem Schweren, was auf sie eindrang, nicht mürbe geworden und in ihrem Bekenntnis zu Jesus nicht zerbrochen. Verfolgungszeiten sind kein Kinderspiel. Die Verhältnisse können uns so unter Druck setzen, daß langsam, aber sicher die Widerstandskraft zermahlen wird und manch einer zum Kompromiß und zur Verleugnung bereit wird. Es ist etwas Großes, wenn eine Gemeinde all das trägt, was ihr Leben unmöglich machen will.
Fast noch größer ist das Wort Jesu: „,Du bist nicht müde geworden." Nicht müde geworden unter den schweren Angriffen von außen und den schmerzlichen, bitteren Erfahrungen mit den Gliedern der Gemeinde und mit sich selbst. Jeder, der ernsthaft an einer Gemeinde des Herrn Jesu mitbauen will, erfährt, wie schwer das ist und wieviel Leid sich damit ver-

Christus an seine Gemeinde

bindet. Es ist nicht zu fassen, wie schwer wir alle unserem Herrn sein Werk in uns machen. Die unerhörte Güte und Treue unseres Herrn sollte uns bewegen können, auf seine Lebenslinien vorbehaltlos einzugehen. Statt dessen geben wir immer wieder so viel Ungutem und Häßlichem Raum. Statt dessen dreht sich unser Leben immer wieder um uns selbst statt um ihn. Wie schwer machen wir es durch all unsere Sünde denen die die Seelsorger der Gemeinde sein sollen, und bereiten ihnen unendliches Herzeleid. Dienst an der Gemeinde Jesu ist immer ein Sterbensweg. Weil alle Glieder seiner Gemeinde zum Dienst berufen sind, erleben sie alle dieses tiefe Herzeleid, da ein Glied um das andere sich sorgt und grämt. Wie oft tritt die Versuchung an uns heran, ein Glied der Gemeinde Jesu aufzugeben. Es ist darum ein großes Wort: „Du bist nicht müde geworden."
An keinem Menschen drohen wir so müde zu werden wie an uns selbst. Nur der, den der Geist Gottes nicht erreicht, kann mit sich zufrieden sein und zu einem behaglichen „frommen" Spießbürger werden. Jeder aber, der in der lebendigen Seelsorge Jesu steht, weiß um viel Negatives und Schuldvolles, das sein Herr an ihm sieht. Er weiß um unzählige Niederlagen, die ihn selbst bitter betrüben. Er verliert manchmal allen Mut mit sich und wagt gar nicht mehr zu hoffen, daß aus ihm noch etwas wird. Gut, wenn wir hellsichtig für uns selbst werden und an uns persönlich und unserer Heiligung verzagen. Das ist ein lebendiges Zeichen des geistlichen Wachtums und der Verbundenheit mit Christus. Hier wird deutlich, daß wir zu seiner Herde und zu den Schafen gehören, die er mit seiner Stimme erreichen kann.
Darum ist es groß, wenn ein Kind Gottes nicht müde wird im Blick auf sich selbst und mit Ausdauer in dem Kampf läuft, der ihm verordnet ist, und in dem Glauben stehen bleibt, das Jesus stärker als alles ist und mit all seinen Kindern ans Ziel kommt.


Offb. 2,6: „Das hast du, daß du die Werke der Nikolaiten hassest, die ich auch hasse."


Wir nehmen den Vers 6 vorweg, weil er zu dem Positiven Stellung nimmt, das Jesus in seiner Gemeinde sieht. Wir kennen die Erscheinung der Nikolaiten nicht. Vermutlich handelt

Der Verlust der ersten Liebe

es sich um eine Gruppe von Christen, die aus der Freiheit in Christus falsche Schlußfolgerungen zogen und ihre Freiheit vom Gesetz in einer Weise kundtun wollten, die innerlih unmöglich ist. Es sind in der Gemeinde Jesu immer wieder Strömungen aufgetaucht, die ihren sittlichen Kompromiß mit der Freiheit in Christus entschuldigen wollten. Diese sittlichen Kompromisse liegen nicht zuletzt auf dem Gebiet des sexuellen Lebens und haben manchen Jünger Jesu in seiner Entwiklung geknickt.
Es ist nicht immer leicht, inmitten andersartiger Zeitströmungen einen klaren Blick und ein sauber arbeitendes Gewissen zu behalten. Wir alle sind Kinder unserer Zeit und werden mehr von ihr angesteckt, als uns bewußt ist. Es ist keine geringe Sache, wenn eine Gemeinde den sittlichen Kompromiß haßt und die Jungen und die Alten einer Gemeinde durch die mannigfachen Versuchungen in Privatleben, Geschäft, Volk und Staat unbeschädigt ihren Weg finden. Jesus drückt seine Stellungnahme gegenüber aller sittlichen Fäulnis und allem sittlichen Kompromiß sehr stark aus: „Ich hasse sie." Er erwartet von uns eine ebenso radikale Stellungnahme, daß wir das wirklich hassen, was uns innerlich kaputt macht und eine Fäulnis in der Gemeinde hervorrufen würde. Alles, was uns ansteckt, wirkt auch ansteckend in der Gemeinde. Unsere Verantwortung für die Gemeinde ist sehr groß.

Die Sorge des erhöhten Herrn um seine Gemeinde

Offb. 2,4: „Aber ich habe wider dich, daß du deine erste Liebe verlassen hast.“


Es ist ein positives Urteil, das Jesus über die Gemeinde in Ephesus ausspricht. Wir alle wünschten uns, daß er Wort um Wort dasselbe von der Gemeinde sagen könnte, in der wir selbst leben, und daß jedes dieser Worte auf uns selbst zuträfe. Um so erschütternder, daß Jesus trotz allem Positiven diese seine Gemeinde in solcher Todesgefahr sieht und um ihr ganzes Leben bangt.
„Aber ich habe wider dich": an solchem Urteil Jesu über uns hängt das Leben. Wenn Jesus solch schwerwiegendes Wort

Christus an seine Gemeinde

gegen uns hat, steht alles auf dem Spiel. Das ist eigentlich täglich unsere Frage, wenn wir über dem Wort der Schrift still werden: Herr, was hast du gegen mich? Es bedeutet unser Leben, wenn Jesus uns das zum Bewußtsein bringen kann was er mit Sorge bei uns sieht. Es ist oft nur ein einziger Punkt wie hier bei der Gemeinde in Ephesus. Aber dieser eine Punkt kann unser ganzes Leben mit ihm gefährden und vernichten.
Wie treu ist unser Herr, daß er so über uns wacht und uns allezeit klarmachen will, wo wir uns in Lebensgefahr befinden. Darum ist uns nichts so lebensnotwendig wie die tägliche stille Zeit, in der wir auf ihn und sein Wort hören. Wir machen es ihm sonst unmöglich, uns das zu sagen, was er wider uns hat. Nur in dem stillen, verborgenen Umgang mit ihm und dem rechten Hören auf sein Wort kann er uns die Punkte deutlich machen, die für uns lebensgefährlich zu werden drohen.
Wenn wir ihm diese Möglichkeiten nicht geben, greift er oft zu Radikalmitteln, um uns wachzurütteln. Mancher schwere Weg und manche Katastrophe unseres Lebens war nichts anderes als die treue Seelsorge Jesu, der keinen anderen Weg mehr fand, um uns zu sagen, was er gegen uns hat und wo er sich um uns sorgt.
Das Wort Jesu an Ephesus betrifft den tiefsten Schaden, die innerste Stelle in unserem persönlichen Verhältnis zu Jesus:
„Du hast deine erste Liebe verlassen." Was waren es große Tage in Ephesus, als die erste Liebe zu Jesus aufbrach und er ihnen bedeutsamer als alles andere im Leben wurde. Diese Zeit der ersten Liebe zu Jesus ist in jedem Menschenleben unvergeßlich. Diese Liebe, die Jesus an die erste Stelle stellt und ihn zu dem entscheidenden Faktor unseres Lebens werden läßt, kann nie einer vergangenen Zeit angehören. Diese erste Liebe ist nicht nur für die erste Zeit des Lebens mit Jesus charakteristisch, sondern für das ganze Leben. Es ist mit ihr nicht so wie mit dem Frühling, der dem Sommer, Herbst und Winter Platz macht. Diese Liebe zu Jesus, die ihn zu dem beherrschenden Faktor in unserem Leben macht und ihm den tonangebenden Platz in unserem Gewissen einräumt, ist das Lebenselement seiner Kinder in allen Lebensabschnitten. Wie sollte es auch anders sein können!

Der Verlust der ersten Liebe

Es gibt unheimliche, starke Kräfte in uns, in unserer Umgebung und in der unsichtbaren Welt, die diese Liebe zu Jesus lahmlegen wollen. Es ist etwas Wunderbares, wenn zwei junge Menschen in der ersten Liebe sich die Hand fürs Lebern reichen, und sehr schmerzlich, wenn nach einer Reihe von Jahren diese Liebe unter der Macht der Gewöhnung und anderen Umständen erloschen ist und dem sachlichen Verhältnis einer Ehe Platz gemacht hat, die durchaus korrekt verläuft, aber in der die erste Liebe verschwunden ist. Formal ist alles in Ordnung. In Wirklichkeit ist die Ehe zerknickt. Es fehlt ihr das Schönste und Beste, der eigentliche Schmelz, das, was die Ehe zur Ehe macht.
Dieselbe Katastrophe kann in unserem Verhältnis zu Jesus eintreten, daß aus dem echten Verhältnis zu Jesus, in dem die Liebe zu ihm der treibende Motor ist, eine sachliche Beziehung wird, die man nur noch in seiner Gedankenwelt sachlich registriert, der aber die Unmittelbarkeit der Verbindung mit ihm selbst fehlt. Es ist alles ebenso korrekt wie in einer Ehe, die formal in Ordnung ist, in der aber die Liebe starb.
Es gibt ein Formalchristentum, das durchaus korrekt ist und in dem der Form nach alles existiert, was zum Leben einer Gemeinde Jesu Christi gehört: ein klares Bekenntnis zu Jesus, eine gute sittliche Zucht, ein rechter Dienst der Gemeinde, eine gesunde Verkündigung. Aber das alles wächst nicht mehr aus der Liebe zu Jesus, aus dem verborgenen Umgang mit ihm, aus der engen Gemeinschaft mit ihm selbst. Aus dem, was einst unmittelbares Leben mit Jesus selbst war, sind Sachwerte geworden, die man aufrechterhält und pflegt, aber nicht mehr lebendige Lebenslinien, die aus der Gemeinschaft mit Christus immer neu herauswachsen und geformt werden. Fast möchte man sagen, es ist wie in einem Museum, in dem alles gut erhalten und gepflegt wird. Aber es ist nicht mehr wirkliches Leben. An der entscheidenden Stelle hat es einen tiefen Schaden gegeben. Von außen sieht noch alles so aus wie einst, und doch hat sich etwas Grundlegendes verändert.
Professor Hadorn schreibt dazu im theologischen Handkommentar zur Offenbarung: „Die Gemeinde hat die erste Liebe verlassen. Der Eifer um die reine Lehre und die Zucht

Christus an seine Gemeinde

in der Gemeinde kann über diesen Mangel nicht hinwegtäuschen. Die Kirche hat zu allen Zeiten in diesem Stück ihren Hauptschaden zu erkennen. Die erste Liebe ist aber nicht etwas, das wie der Frühling naturgemäß vergehen muß. Die erste Liebe muß bleiben. Es handelt sich um die innere Stellung, um das persönliche Verhältnis zu Christus, das Schaden gelitten hat - ein Mangel, der durch keine Vielgeschäftigkeit, keinen Betrieb in Werken und Veranstaltungen religiöser Art, auch nicht durch Begeisterung und theologische Gelehrsamkeit ersetzt wird“.
Letzten Endes kann nur Jesus selbst beurteilen, ob dieser tiefste Schaden eingetreten ist. Wir selbst können voreinander die Fassade so gut aufrechterhalten, und doch wird der innere Leerlauf nicht selten auch vor Menschen schon offenbar. Es ist schon die erste Hilfe, wenn uns persönlich das Zittern nicht verlorengeht und die Frage nach der ersten Liebe zu Jesus im Blick auf unsere eigene Person wach bleibt.
Da die Liebe zu Jesus und die Liebe zu den Brüdern innerlich eng verbunden sind und eins aus dem anderen hervorwächst, wird dort, wo die Liebe zu Jesus erkaltet, auch die Liebe zu den Brüdern matt werden. Es ist ein sorgenvolles Zeichen, wenn ein Jünger Jesu keinen starken Zug mehr zur Gemeinschaft der Kinder Gottes hat, sondern sehr wohl imstande ist, als Einzelgänger zu leben und ein isoliertes Dasein zu führen. Aller Mangel an Bruderschaft hängt irgendwie zusammen mit dem Mangel an der ersten Liebe zu Jesus selbst.
Die Ursachen für das Erlöschen der ersten Liebe können mannigfaltig sein. Eine kleine verborgene Sünde, mit der wir immer wieder den Geist Gottes betrüben, kann auf die Dauer schwerwiegende Lähmungen zur Folge haben. Eine ehrliche Beugung vor Jesus und, wenn nötig, ein offenes Aussprechen vor einem seelsorgerlichen Menschen kann eine große Hilfe sein. Meist aber werden es schwerwiegendere Dinge sein, die sich tief eingefressen haben und die Liebe zu Jesus lähmen. Doch gibt es keine noch so schwerwiegende Schuld und keine noch so starke Lähmung, die nicht unser Herr heilen könnte.
Noch zwei andere Faktoren, die nicht so gefährlich aussehen, haben eine unheimliche, lähmende Wirkung: die Macht der

Der Rückweg zur ersten Liebe

Gewöhnung und der Mangel an Zeit. Wir können uns an alles gewöhnen - auch an das Schönste und Liebste, so daß es uns alltäglich und abgegriffen wird. Auch Jesus gegenüber sind wir in dieser Beziehung nicht gesichert. Auch er kann uns zum Alltäglichen und Selbstverständlichen werden, statt daß wir jeden Tag von neuem über ihn staunen. Wem das Staunen über Jesus und seine unendliche Vergebung und Freundlichkeit bleibt, dem bleibt auch die erste Liebe zu ihm.
Wer die Vergebung Jesu nicht mehr so bitter nötig hat wie im ersten Anfang des Lebens mit ihm, verliert das Staunen über die unverdiente freie Gnade und mit ihm die dankbare Liebe zu Jesus. Bei einem echten geistlichen Wachstum wird uns von Jahr zu Jahr tiefer bewußt, wie wir der Vergebung Jesu bedürftig sind und nur durch sie leben können.
Darum kann die Liebe zu Jesus nicht abnehmen, sondern nur wachsen, weil wir seiner Vergebung bedürftiger und immer dankbarer dafür werden. Jesus sagt Lukas 7, 47: „Ihr sind viele Sünden vergeben, denn sie hat viel geliebt; welchem aber wenig vergeben wird, der liebt wenig."
Daß der Blick für unsere Vergebungsbedürftigkeit getrübt und das Staunen ausgelöscht wird, hängt nicht zuletzt damit zusammen, daß wir uns vom Tempo des Lebens so beschlagnahmen lassen, daß die Zeit für den stillen Umgang mit Jesus und seinem Wort immer weniger wird. Es ist wie in einer Ehe:
wenn die Ehegatten erst keine Zeit mehr füreinander haben, dann stirbt die Liebe zueinander. In dem Verhältnis zu Jesus ist es nicht anders. Aus der stillen Zeit mit ihm wird die erste Liebe zu ihm immer neu geboren. Wo wir keine Zeit mehr für das stille Zwiegespräch mit ihm haben, stirbt die erste Liebe.
                                                                    Die Entscheidung


Offb. 2,5: „Gedenke nun, wovon du gefallen bist, und tue Buße und tue die ersten Werke. Wo aber nicht, so werde ich über dich kommen und deinen Leuchter von seiner Stätte entfernen, wenn du nicht Busse tust."


Jesus hat ganz andere Maßstäbe als wir. In unseren Augen ist es ein tiefer Fall, wenn sich ein Mensch sittlich vergangen hat. Jesus nennt das korrekte Normalchristentum, das die erste Liebe zu ihm nicht mehr kennt, einen Fall aus der Höhe

Christus an seine Gemeinde

in die Tiefe. Gefallene Menschen sind für ihn die korrekten braven Christen, bei denen scheinbar nach bürgerlichem Maßstab alles in Ordnung ist, die aber die Unmittelbarkeit der ersten Liebe zu Jesus nicht kennen. Jesus sieht Lebensgefahr. Obwohl alles noch dazusein scheint, ist im Grunde alles zerstört.
Aber es gibt bei Jesus eine Buße über jeden noch so tiefen Schaden und eine Rückkehr zu den ersten „Werken", zu der Haltung der ersten Zeit, in der er uns wichtiger war als alles andere. Dieser Weg zurück zu Jesus und in die erste Liebe zu ihm will wirklich gegangen werden. Da Jesus selbst uns dazu auffordert, ist dieser Rückweg zu ihm und in die erste Liebe für jeden möglich. Hinter dem Wort, das uns zurückruft, steht Jesus selbst. Damit ist der Weg zu ihm und in seine Vergebung frei. Wie beschämt er uns, daß er sich so um uns sorgt, obwohl wir ihn so tief enttäuscht haben.
Dieser Rückweg zu ihm und in die erste Liebe will wirklich gegangen sein, wenn nicht unser Leben mit Jesus sterben soll. Mit ganzem Ernst spricht er die Möglichkeit aus, daß er schon auf Erden über uns Gericht hält und unseren Leuchter von seiner Stätte entfernt. Die Gemeinde in Ephesus hat den Ruf Jesu gehört und ist noch durch Jahrhunderte ein Leuchter für Christus gewesen. Aber es gehört zu den tragischen Erscheinungen der Geschichte, daß die Gemeinde Ephesus und mit ihr die anderen Gemeinden Kleinasiens im Türkensturm so untergegangen sind, daß auch keine Spur von ihnen blieb.
Jesus hält wirklich auf Erden schon Gericht über seine Gemeinde und kann ihren Leuchter restlos auslöschen. Keine Gemeinde und kein Jünger Jesu hat das Leben aus Christus als selbstverständlichen Besitz. Dem, der darum bangt und um seine Armut weiß, wird das Leben aus Christus erhalten bleiben.



Offb. 2,7: „Wer ein Ohr hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt. Dem Überwinder will ich vom Baum des Lebens zu essen geben, der im Paradiese Gottes ist."


Jeden Brief schließt der erhöhte Herr mit einer dringenden, herzbewegenden Bitte, die zugleich ein unbedingter Ruf zur Entscheidung ist, daß seine Gemeinden auf das, was der Geist ihnen zu sagen hat, wirklich hören möchten. Der Geist ist

Geborgene Gemeinde

unermüdliche treue Warner. Er war es nicht nur im ersten Jahrhundert. Er ist es auch heute.
Das Wort vom „Überwinder" hat schon manchen mutlos gemacht, weil es nicht einen unter uns gibt, der diesen Namen im Vollsinn des Wortes verdient. Aber nach dem ganzen Zusammenhang der Schrift wäre es ein schweres Mißverständnis, wenn wir unter dem „Überwinder" den sündlosen Menschen verstehen würden, dem kein Fehler und kein Versagen mehr anhaftet. Derselbe Johannes, der in seinem ersten Brief so eindrücklich gesagt hat, daß mit dem Herrn Jesus sich keine Sünde in unserem Leben verträgt, hat zugleich 1. Johannes 1,8 ausgesprochen: „So wir sagen, wir hätten keine Sünde, so verführen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns."
Das Wort vom „Überwinder" spricht nicht von dem fehlerlosen Menschen, der keine Sünde mehr kennt, sondern von dem, der die Momente überwindet, die ihn von der Liebe zu Jesus trennen und das ursprüngliche Verhältnis zu ihm zerstören wollen. Das gibt es aber wirklich, daß wir die Selbstzufriedenheit überwinden, die der Vergebung Jesu nicht mehr bedarf, daß wir uns der Macht der Gewöhnung entziehen, indem wir still bei unserem Herrn einkehren, auf daß das Staunen über seine unverdiente Gnade uns neu geschenkt wird.
Das gibt es wirklich, daß wir die Gefahr überwinden, die in dem Tempo der Zeit liegt, und wieder zu stillen Leuten werden, die auf ihren Herrn und sein Wort hören. Das gibt es wirklich, daß wir über unser formales Christentum und seinen Leerlauf ehrlich betrübt werden. Wer die Momente überwindet, die ihn von der Liebe zu seinem Herrn trennen wollen, den bewahrt er vor dem inneren Sterben.







2. An die Gemeinde in Smyrna: Treue bis in den Tod

Offenbarung 2, 8-11


Offb. 2,8: „Dem Engel der Gemeinde in Smyrna schreibe."


War Ephesus das politische Zentrum Kleinasiens in der Römerzeit, so bestand die Bedeutung Smyrnas darin, daß es

Christus an seine Gemeinde

eine alte, berühmte Handelsstadt, nördlich von Ephesus, war.
Sie galt als eine der schönsten Städte des Altertums. Nach einer schweren Zerstörung war sie mit geraden Straßen, Tempeln und Theater neu aufgebaut und erlebte in der Zeit der römischen Kaiser eine besondere Blüte.
Im Jahre 155 n. Chr. besiegelte in Smyrna Polykarp, der Vorsteher der Christengemeinde, seine Treue zu Jesus mit dem Tode.

Die Rückendeckung der Gemeinde an ihrem Herrn


Offb. 2,8b: „Das sagt der, der der Erste und der Letzte ist, der tot war und lebendig geworden ist."


Wie tröstlich ist es für die Gemeinde in der Verfolgung, daß sie solch einen Herrn hat. Er hat das erste und letzte Wort der Weltgeschichte. Keiner ist stärker als er. Darum ist sie bei ihm geborgen.
Ihr Herr ist denselben Todesweg gegangen, den sie nun gehen muß. Er versteht sie und wird sie in keinem Punkt im Stich lassen. Er wird sie so stärken, wie er selbst in Gethsemane gestärkt wurde. Er wird ihr die Kraft geben, die er selbst von Gott in der Gerichtsverhandlung und am Kreuz empfing. Er wird sie instand setzen, ihren Mördern ebenso zu vergeben, wie er am Kreuz vergab. Er wird sie in denselben Frieden Gottes stellen, von dem er selbst getragen wurde. Es ist für die Gemeinde ein großer Trost, daß ihr Herr der ist, der tot war und alle Schrecken des Todes und der Hölle durchkostet hat.
Darum kann er der sein, der ihr in ihrem Martyrium beisteht.
Aber so wenig wie Jesus vom Tod gehalten werden konnte, so wenig wird seine Gemeinde vom Tode gehalten werden; auf Karfreitag folgt immer Ostern. Das ist sonst in der Welt nicht der Fall. Dort enden viele Wege wirklich in Katastrophen, aber bei Jesus ist das letzte Wort nie der Tod. Bei ihm geht es immer durch Sterben zum Leben. Darum heißt auch im Leben seiner Kinder das letzte Wort nie Tod, sondern Leben. Sie sind in der Hand ihres lebendigen Herrn - in der Verfolgung und mitten im Sterben. Nichts kann sie aus seiner Hand reißen.

Der Sterbensweg der Gemeinde Jesu

Die Gemeinde in der Verfolgung


Off. 2,9: „Ich weiß deine Trübsale und deine Armut - du bist aber reich - und die Lästerungen von seiten derer, die sich Juden nennen, und sind es nicht, sondern sind eine Synagoge des Satans."


Aus Vers 10 geht hervor, daß der Brief nicht nur an den Vorsteher der Gemeinde gerichtet ist, sondern an die ganze Gemeinde. Sie geht durch viel Trübsal, Armut und Verleumdung. Sie kommt sich vielleicht ganz verlassen und preisgegeben vor. Darum stärkt sie Jesus durch das knappe und doch so königliche Wort: „Ich weiß!"
Wenn Jesus um unsere Not weiß, ist im Grunde alles gut. Wenn er an uns denkt, dann sind wir geborgen. Jesus weiss um uns. Das verändert die ganze Lage, auch wenn sie äußerlich dieselbe bleibt. Jesus weiß um die schwere Verfolgung, in der die Gemeinde in Smyrna steht. Er kennt ihre Trübsal, daß sie jeden Augenblick gewärtig sein muß, aus den Häusern geholt, verhaftet und ermordet zu werden. Wie oft sind in den Verfolgungszeiten die Gottesdienste der Christen durch Steinwürfe und Einbrüche von wilden Haufen gestört worden. In mancher Verfolgungszeit konnten sich die Christen auf der Straße nicht sehen lassen, ohne angegriffen und geschlagen zu werden; überall fiel man über sie her, daß sich die Christen kaum noch getrauen konnten, das Haus zu verlassen.
Zu all der Not der Verfolgung gesellte sich die große Armut mitten in der reichen Handelsstadt. Während alle anderen gut verdienten, wurde offenbar den Christen durch ihr Bekenntnis zu Jesus die wirtschaftliche Existenz unmöglich gemacht. Die Vorgänge des 20. Jahrhunderts haben uns sehr eindrücklich gemacht, wie es ist, wenn man als Christ keine Arbeit mehr findet, die Anstellung im Staat verliert, das Vermögen eingezogen wird. Es ist eine herbe Versuchung, in solcher Lage Jesus zu verleugnen, um die wirtschaftliche Existenz zu retten.
Jesus weiß um all die Niedrigkeitswege seiner Gemeinde. Er weiß um all die wirtshaftlichen Verluste, die aus dem Bekenntnis zu ihm entstehen. Aber wenn er darum weiß, hat die Gemeinde eine feste Rückendeckung und darf gewiß sein, daß er sie durchbringt. Und wenn sie um seinetwillen ver-

Christus an seine Gemeinde

hungern muß, dann wird er auch auf diesem Weg ihr beistehen und sie innerlich so stärken, daß sie fest mit ihm verbunden bleibt. Die Zeugen Jesu, die in unserer Generation um seinetwillen alles verloren haben und zugrunde gegangen sind, haben unter Beweis gestellt, daß die Treue Jesu nie zerbricht.
Die, die in Smyrna so arm wurden, weil das Bekenntnis zu Jesus ihre wirtschaftliche Existenz untergrub, sind in Wirklichkeit reiche Leute - reich in Gott, reicher als alle ihre Verfolger.
Ihr Reichtum ist Jesus, das verborgene Leben mit ihm und die kommende Herrlichkeit.
2. Korinther 6, 4-10 bringt diese Tatsache lebendig zum Ausdruck.
Jesus weiß auch um die Lästerungen und Verleumdungen, denen seine Gemeinde in Smyrna ausgesetzt ist. Zu allen Zeiten ist die Verleumdung eine besondere Waffe Satans gewesen.
Nicht selten ist die Verleumdung der Gemeinde Jesu, wie in Smyrna, von Kreisen ausgegangen, die sehr bewußt „fromm“ waren und aus ihrer „frommen" Überzeugung heraus glaubten, gegen die stehen zu müssen, die sich zu Jesus bekannten. Jesus gebraucht für die Kreise, die in Smyrna seiner Gemeinde das Leben unmöglich machen, den scharfen Ausdruck: Synagoge des Satans.

Die Zurüstung der Gemeinde zu ihrem Sterbensweg

Offb. 2,10a: „Fürchte dich nicht vor dem, was dir an Leiden noch bevorsteht. Siehe, der Teufel wird einige von euch ins Gefängnis werfen, damit ihr durch die Versuchung erprobt werdet, und ihr werdet eine Trübsal von zehn Tagen durchmachen."


Die eigentliche Verfolgung hat noch nicht begonnen. Das Schwerste kommt noch. Die Gemeinde muß sich auf noch schwerere Tage rüsten, vor denen man sich wirklich fürchten kann. Es wird kein leichter Weg werden. Aber Jesus sagt zu ihr: „Fürchte dich nicht." Matthäus 10,28-31 bleibt in allen Verfolgungszeiten Wahrheit.
Hinter all den schweren Wegen der Gemeinde Jesu stehen letzten Endes nicht die Menschen, die der Gemeinde so schwer zusetzen, sondern eine übermenschliche Macht, der Teufel. Jesus spricht von ihm, als von keiner kleinen Tatsache. Er ist der, dessen ganzes Augenmerk darauf gerichtet ist, die Gemeinde Jesu zu zerstören.

Der Sterbensweg der Gemeinde Jesu

Er möchte jeden einzelnen Jünger Jesu zur Strecke bringen. Ihm ist jedes Mittel recht. Es ist keine Kleinigkeit, in die einsame Gefängniszelle wandern zu müssen. Wie viele Jünger Jesu im 20. Jahrhundert sind diesen Weg gegangen und haben seine ganze Härte erlebt. Es braucht die ganze bewahrende Macht unseres Herrn dazu, um auf einem solchen Weg nicht innerlich mürbe zu werden. Obwohl diese bitteren Verfolgungszeiten vom Satan und von Menschen ausgehen, steht in Wirklichkeit Gott dahinter, der seine Gemeinde erproben und zur Reife bringen will. Alles Bittere, das wir um Jesu willen durchmachen, soll uns nicht zerstören, sondern innerlich wachsen lassen. Die Verherrlichung Jesu durch das Leiden seiner Kinder ist ein großes Kapitel in der Geschichte seiner Gemeinde. Seit den Tagen des Stephanus und Paulus haben immer wieder treue Kinder Gottes auf mannigfaltige Weise durch Leiden ihren Herrn verherrlichen müssen. Es ist ein großes Vertrauen, das Jesus uns entgegenbringt, wenn er einem seiner Kinder solchen Weg zumutet.
Wer in solchen schweren Wegen nur die Menschen sieht, die ihm das Leid zufügen, und nur die Ungerechtigkeit und Bosheit vor Augen hat, unter der er leidet, wird die Erprobung nicht bestehen, sondern innerlich Schaden nehmen. Es hängt alles daran, daß wir über die Menschen und alle Un- gerechtigkeit hinweg den Blick auf unseren Herrn richten und wissen, daß wir nur in seiner Hand sind, und daß alles von ihm kommt. Dann wird das Bittere entgiftet. Dann ärgern wir uns nicht mehr über die Menschen. Dann zerreibt uns das Schwere nicht, das wir erfahren, sondern es muß uns zu einer Hilfe und Stärkung werden, daß wir unter all dem Leid nur wachsen. Wer auf die Menschen und die Verhältnisse sieht, geht unter; wer auf Jesus sieht und es allein mit ihm zu tun hat, kommt durch.
Auch das Leiden seiner Gemeinde bestimmt der Herr: „Ihr werdet eine Trübsal von zehn Tagen haben." Damit sagt er seinen Kindern, daß er um alles weiß, was kommt. Ihre Leidenszeit ist eine abgemessene Zeit, die er bestimmt hat. Die Verfolgung wird keine Stunde länger dauern, als es nach seinem Plan notwendig ist. Er ist der Erste und der Letzte. Er bestimmt

Christus an seine Gemeinde

den Anfang und das Ende des bitteren Weges. Er ist bei seiner Gemeinde auch im Leiden und hält sie mit seiner starken Hand fest umschlossen.


Offb. 2,10b: „Sei getreu bis zum Tod, so werde ich dir die Krone des Lebens geben.“


Wie oft ist dieses Wort falsch verstanden worden, als ob treue Pflichterfüllung an irgendeinem Platz des bürgerlichen Lebens uns die Krone des Lebens bringen könnte. Treue Plichterfüllung ist eine große Sache, aber noch nie ist ein Mensch dadurch selig geworden, denn wir bleiben alle Gott und den Menschen viel schuldig. Was nach menschlichem Urteil als treue Plichterfüllung gilt, ist vor Gottes Urteil nur ein Bruchstück, dem viel gebricht und an dem viel Schuld hängt.
Vor Gott hat noch nie das zugereicht, was ein Mensch ist und leistet, und wenn er sich bis zum Tod für andere Menschen aufgeopfert hätte. Vor Gott sind wir immer die, die tausendfältig seiner Vergebung bedürfen. Darum kann keiner ohne Jesus selig werden, der allein unsere Schuld so zu löschen vermag, daß sie vor Gott nicht mehr existiert.
An der Treue Jesus gegenüber bis in den Tod hängt unser Leben. Lieber sterben als Jesus verlassen. So war es bei Stephanus. So war es bei allen Märtyrern. Sie wußten, daß an Jesus ihr Leben hing. Sie wußten, daß die Treue ihm gegenüber über ihre Ewigkeit entschied. Weil sie sich durch nichts von Jesus trennen ließen, sondern ihm bis ins Sterben treu blieben, darum gewannen sie die Krone des Lebens.
Diese Krone ist das ewige Leben bei Jesus, die jetzt noch verborgene Herrlichkeit, die bei ihm auf uns wartet. Es lohnt sich, um dieses Zieles willen zu leiden und alles daranzugeben.
Wer Jesus verleugnet, verliert alles. Wer von Jesus sich trennt, ist ein verlorener Mann. Wer zu Jesus steht, obwohl er darüber zugrunde geht, gewinnt das Grösste, was es gibt, und wird bei seinem Herrn sein in der Ewigkeit.
Alles, was wir sonst im Leben erwerben können, wird im Tod zurückbleiben. Wir nehmen nichts mit. In der Ewigkeit bleibt nur Jesus und das große Leben, das er uns bereitet hat. Wer Jesus verliert, ist in Walhrheit der ärmste Mensch in Zeit und Ewigkeit.

Treu bis in den Tod

Offb. 2,11 „Wer ein Ohr hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt. Der Überwinder, soll von dem zweiten Tod keinen Schaden erleiden.“


Der Geist ist ein treuer Mahner. Er zeigt den rechten Weg. Er macht Mut, auch das Schwerste um Jesu willen auf sich zu nehmen. Er macht uns klar, daß der Weg, den er uns zeigt, der Weg zum Leben ist.
Der zweite Tod ist der eigentliche Tod, wenn der ewige Richter uns der Verdammnis überantwortet: Offenbarung 20,11-15. Wenn diese große Stunde der Menschheit gekommen ist, da sie vor ihrem ewigen Richter steht, gibt es keine Rettung mehr. Wessen Name dann nicht in dem Buch des Lebens steht, der ist verloren. Im Buch des Lebens stehen die Namen derer, die Jesus die Treue gehalten haben bis in den Tod.
Es steht ein unheimliches Fragezeichen über dem letzten Schicksal der Verlorenen. Das Bild von dem feurigen Pfuhl oder Feuersee, das für das letzte Gericht verwendet wird, gibt keine nähere Auskunft über das Schicksal der Verlorenen.
Dieses Fragezeichen steht in seiner ganzen Schaurigkeit da.
Es soll so unheimlich und grausig stehenbleiben, auf daß wir den Ernst des Verlorenseins nicht verkleinern und zu Jesus kommen, solange es noch Zeit ist. Es ist eine unheimliche Verantwortung, wenn jemand dieses dunkle Fragezeichen irgendwie mildert oder wegwischt und über das Schicksal der Verlorenen mehr zu sagen wagt, als dieses letzte Wort der Schrift ausspricht. Wäre dieses Verlorensein nicht so furchtbar, würde Jesus nicht mit solchem Ernst als der erhöhte Herr seine Gemeinde in diesen Briefen warnen.
Wie macht Jesus uns Mut, alles zu überwinden, auch wenn es Existenz und Leben kostet. Der Überwinder ist nicht der Heilige, Vollkommene, Tadellose, sondern der, der tapfer alle Versuchungen überwunden hat, die ihn von Jesus trennen und zur Verleugnung seines Namens bewegen wollten. Auch die Märtyrer waren in ihrer Heiligung nicht am Ziel, sondern noch auf dem Weg wie wir alle. Aber das Große an ihnen war, daß sie bei all ihrer persönlichen Unvollkommenheit die Liebe zu Jesus nicht lassen konnten und ihm treu blieben bis in den Tod.

Christus an seine Gemeinde






3. An die Gemeinde in Pergamon: die Gemeinde am Thron Satans

Offenbarung 2, 12-17


Offb. 2,12a: „Dem Engel der Gemeinde in Pergamon schreibe."


Pergamon liegt nördlich von Ephesus und Smyrna. Ephesus war der politische Mittelpunkt, Smyrna das Handelszentrum, Pergamon der Brennpunkt des kulturellen, geistigen Lebens.
Als königliche Residenz barg es in seinen Mauern berühmte Bibliotheken. Die Fürsten, die dort ihren Sitz hatten, haben viel Sorgfalt darauf verwendet, die Bibliotheken auszubauen und durch wertvolle Handschriften zu vermehren. Buchdruckerkunst gab es ja noch nicht. Alle Bücher wurden handschriftlich vervielfältigt. In Pergamon wurde zum erstenmal ein besonders haltbares Material für die Vervielfältigung der Bücher verwendet, das seitdem unter dem Namen Pergament bekannt ist. Die Stadt war außerdem berühmt durch ein Heiligtum des heidnischen Gottes Äskulap, der der Gott der Heilkunde war. Er trug auch den Beinamen Erlöser, Heiland. Ihm wurden wunderbare Heilungen zugeschrieben. Nach den Schilderungen der Heiden hatte er Ähnlichkeit mit Jesus. Sein Symbol war die Schlange. In seinen Tempeln wurden Schlangen gehalten und verehrt dieselbe Schlange, die den Christen das Symbol des Teufels war. An solchem Wallfahrtsort des Heidentums konnte leicht ein fanatischer Haß gegen die Gemeinde Jesu aus religiösen und wirtschaftlichen Gründen entstehen.

Das Wort Jesu in seiner richtenden Kraft

Offb. 2,12b: „Das sagt der, der das Schwert hat, das zweischneidige, das scharfe.“


Das Schwert ist das Bild für das lebendige Wort Gottes, das von Jesus ausgeht. Jesus ist nicht tot und nicht stumm. Er spricht zu seiner Gemeinde und greift mit seinem Wort in die Welt hinein. Sein Wort ist eine Macht. Es kann Hilfe und Leben bringen, aber auch Gericht und Tod bedeuten.
Jesus ist der Richter über seine Gemeinde und über die Welt. Sein Gerichtswort ist durchdringend wie ein zweischneidiges Schwert.

Jesus - der Hirte seiner Gemeinde

Es ist unerbittlich scharf. Das Wort Jesu trifft bis auf den Grund und legt alles Verborgene bloß. Sein Wort ist unbestechlich wahr.
Jesus streitet mit dem Schwert seines Wortes für seine Gemeinde und behält den Sieg. Er braucht keine anderen Waffen. So er gebeut, so geschieht's; so er spricht, so steht's da. Sein Wort ist darum ausreichend, um seine Gemeinde auch in ihren schwersten Stunden durchzubringen und ihre
Geschichte zum Ziel zu führen. Aber Jesus kann auch seine Gemeinde nicht schonen, wenn sie der Sünde Raum gibt und Menschen Einfluß gewährt, die ihr nicht guttun. Sein Wort trifft auch die Sünde seiner Kinder. Er schont uns nicht. Was müssen wir dankbar sein, daß das Wort Jesu auch gegenüber seinen Kindern ein zweischneidiges, scharfes Schwert ist. Er ist unser unbestechlicher Freund und Retter, der uns in keiner Sünde zugrunde gehen läßt, sondern mit seinem Wort so trifft, daß wir mitten in der Sünde aufwachen und zu ihm zurückgerufen werden. Es wäre das Schwerste, wenn Jesus mit seinem Wort uns nicht mehr dort treffen würde, wo wir in Todesgefahr sind. Wie gut, daß er durch allen frommen Schein durchdringt und mit seinem Wort den Grund unseres Wesens und Lebens trifft.

Jesus kennt unsere Lage

Offb. 2,13a: „Ich weiß, wo du wohnst, wo der Thron des Satans ist."


Wir wissen aus den Vorgängen des 20. Jahrhunderts, wie schwer es ist, wenn in einer Stadt oder in einem Dorf ein Zentrum fanatischen Hasses gegen Christus ist, wie schwer und gefahrvoll es wird, sich dann noch zu Jesus zu bekennen. Wir haben es nicht immer dankbar genug gewertet, wenn wir unangefochten und ungehindert unseres Glaubens leben durften. Es war uns oft eine Selbstverständlichkeit, daß das Christentum eine anerkannte, offizielle Größe war und staatlichen Schutz genoß. Wir haben miterlebt, wie schnell diese Situation sich ändern kann und ins Gegenteil umzuschlagen vermag. Es ist gar nicht zu fassen, wie aus einem Ort, in dem früher jeder wie selbstverständlich sich zu Christus bekannte, ein

Christus an seine Gemeinde

Thron des Satans wird, in dem sich haßerfüllte Kräfte zusammenballen und der Gemeinde Jesu das Leben unmöglich machen wollen.
Es ist kein leichtes Ding, in solch einem Ort zu leben. Wir haben gesehen, wie viele Jesus verleugneten. Es ist keine Kleinigkeit, am Gottesdienst teilzunehmen, wenn er kontrolliert wird und jeder auf die schwarze Liste kommt, der den Gottesdienst noch besucht.
Vollends gehört viel Mut dazu, zu Jesus selbst sich zu bekennen, wenn solch eine Schmach und Gefahr darauf ruht, wenn man dadurch auf Schritt und Tritt mit den führenden Persönlichkeiten eines Ortes in Konflikt gerät und jederzeit gewärtig sein muß, abgeholt zu werden.
Hier braucht es die ganze Stärkung durch Jesus selbst, der spricht: „Ich weiß, wo du wohnst." Wer in solchen Zeiten nicht den Blick auf Jesus richtet und in dem verborgenen Umgang mit ihm verankert ist, wird schwerlich durchkommen. Aber Jesus hat acht auf jedes seiner Kinder und jede seiner Gemeinden mitten in der Verfolgung. Er denkt um so treuer an uns, je gefährlicher die Lage ist. Er weiß, wo ein Thron des Satans sich befindet und seine Gemeinde schier nicht mehr atmen kann. Dort wird er ganz sonderlich auf dem Plan sein und alles daransetzen, um seine Gemeinde innerlich zu stärken. Er hat viele Weisen, um seinen Kindern zu Hilfe zu kommen und sie davor zu bewahren, daß sie ihn verleugnen und ihm untreu werden.

Das treue Bekenntnis zu Jesus

Offb. 2,13b: „Und du hältst an meinem Namen fest und hast den Glauben an mich nicht verleugnet, auch nicht in den Tagen des Antipas, meines Zeugen, meines Getreuen, der bei euch getötet worden ist, dort, wo der Satan wohnt."


Es geht um den einen Namen Jesus. Trotz allem Widerspruch und aller Schmach hat die Gemeinde den Namen Jesu festgehalten und den Glauben an Jesus nicht verleugnet. Es geht nicht um eine Weltanschauung und Religion, sondern um Jesus.
Der Glaube der Christenheit ist nicht der Glaube an irgend etwas, sondern der Glaube an Jesus selbst. Wir glauben nicht an sachliche Begriffe, und wenn es solch große, wertvolle Dinge

Jesus - der Hirte seiner Gemeinde

wären wie Vergebung, Rechtfertigung, Heiligung, Wiederkunft, Reich Gottes, sondern wir glauben an Jesus, den persönlichen Herrn seiner Gemeinde.
Religiöse Gedanken, auch solche, die von Jesus ausgesprochen waren, hätte man der Gemeinde in Pergamon verziehen. Religiöse Gedanken sind immer wieder salonfähig. Aber daß ein Mensch zu Jesus sich bekennt, wird ihm nicht verziehen. Man erlaubt es uns vielleicht, zu einer Kirche zu gehören und Gottesdienste zu besuchen, aber man erlaubt es nicht, zu Jesus selbst zu stehen. An dem Namen Jesus scheiden sich die Geister. Er ist unser Schicksal und unsere Entscheidung.
Die Gemeinde in Pergamon hatte inmitten der geistigen und religiösen Welt ihrer Stadt gewagt, diesen Namen „Jesus" als den allein wesentlichen auszusprechen und an ihm festzuhalten. Alle Todesgefahr hatte sie nicht bewegen können, diesen Namen aus ihrem Leben auszulöschen und durch eine Religion zu ersetzen. Aber die Schmach und Verachtung um Jesu willen hatte die Gemeinde vor dem Namenchristentum bewahrt und innerlich frisch und wacker erhalten. Jesus weiß, wer treu zu ihm steht, und weiß, wie er ihn durchbringt.
Der Haß gegen Jesus wurde in Pergamon so groß, daß es einem Glied der Christengemeinde das Leben kostete. Auch das hat die Gemeinde nicht gelähmt. Auch als die Verfolgung ihren Höhepunkt erreichte, blieb sie Jesus treu.
Der Name des Mannes, der damals die Treue zu Jesus mit dem Tod besiegelte, ist nun in allen Erdteilen bei allen Christen bekannt als der Name eines Mannes, von dem Jesus sagt:
mein Zeuge, mein Getreuer. Das ist das Größte, was von einem Jünger Jesu gesagt werden kann. Er hat nicht irgend etwas bezeugt, sondern Jesus selbst. Ihm gehört er, ihm gilt sein Zeugnis. Das hat ihm den Tod gebracht. Er war in einer ganz anders gelagerten Umgebung ein echter Missionar für Christus. Er wußte, daß er seiner Stadt das Zeugnis von Jesus schuldig war, und hatte darum sein Leben nicht geliebt bis in den Tod.
Der erhöhte Herr unterstreicht noch einmal die Lage in Pergamon: „Wo der Satan wohnt", um deutlich zu machen, wie er die Treue des Antipas und die Unerschütterlichkeit der Gemeinde wertet.

Christus an seine Gemeinde

Das gelähmte Gewissen

Offb. 2,14.15: „Aber ich habe ein Kleines wider dich, daß du dort solche hast, die an der Lehre Bileams festhalten, der den Balak lehrte, den Kindern Israels eine Falle zu stellen, dass sie Götzenopfer assen und Hurerei trieben. Daher hast du auch solche, die an der Lehre der Nikolaiten in derselben Weise festhalten.“


Es scheint eine kleine Gruppe in der Gemeinde gewesen zu sein, deren Gewissen gelähmt und vernebelt war. Vielleicht lebte diese Gruppe gar nicht inmitten der Gemeinde, sondern nur in derselben Stadt Pergamon. Aber die Gemeinde hatte nicht die Kraft, diese gefährdete und gefährliche Gruppe zu überwinden und aus ihrer Lähmung herauszureißen. So konnte dieser Fäulniszustand sich erhalten.
Diese kleine Gruppe nahm offenbar an den Götzenopfermahlzeiten der heidnischen Nachbarschaft und den damit verbundenen geschlechtlichen Ausschweifungen teil, ohne zu durchschauen, daß das den Tod ihres Lebens mit Jesus bedeuten mußte. Wir begreifen, wie schwer es war, sich von der gesamten Tradition der Unwelt, der Familie, der Verwandtschaft zu lösen. Wir wissen, daß wir dadurch einsame, heimatlose Menschen werden. Wir wissen auch, wie uns der Blick vernebelt werden kann, daß wir die Gefahren gar nicht mehr durchschauen, und meinen, wir könnten Jesus treu bleiben, auch wenn wir mit dem Lebensstil unserer Umwelt einen faulen Kompromiß schließen.
Noch immer ist das sexuelle Gebiet in besonderer Weise die Einbruchstelle Satans in der Gemeinde Jesu gewesen. Wie viele hervorragende Jünger Jesu, die in der vordersten Front für ihn standen, sind hier zu Fall gekommen. Immer hat es damit angefangen, daß man die erste Trübung und Lähmung des Gewissens nicht bemerkte und unversehens den schmalen Weg mit Jesus auf diesem Gebiet breiter machte. Wir können in einer geradezu raffinierten Weise in unserem Gewissen getäuscht werden, daß wir die Zuchtlosigkeit auf diesem Gebiet noch innerlich begründen und entschuldigen.
Jesus wacht über seiner Gemeinde und weiß, daß ein wenig Sauerteig den ganzen Teig durchsäuert. Von einigen wenigen Jüngern Jesu, die auf diesem Gebiet einen schiefen Weg gehen und ihren Kompromiß auf sexuellem Gebiet gar noch lehr-

Der Lohn der Treue

mäßig verteidigen, kann ein zersetzender Einfluß auf eine ganze Gemeinde ausgehen. Jesus nimmt jede Lähmung des Gewissens auf diesem Gebiet todernst.


Offb. 2,16: „So tue nun Buße, wo aber nicht, so werde ich bald über dich kommen und mit ihnen Krieg führen mit dem Schwert meines Mundes."


Wenn die Gemeinde innerlich nicht stark genug ist, Zucht zu üben, Fäulnisherde zu überwinden und ihre gefährdeten Brüder aus ihrem Traumzustand herauszureißen, greift Jesus selbst ein. Ein Wort von ihm genügt. Es kann das Wort zum Leben und zum Tode sein. Manches seiner Kinder hat Jesus durch schwerste und tiefste Wege geführt, um es aus den Lähmungen seines Gewissens zu retten.
Es ist eine große Sache, wenn ein Jünger Jesu, dessen Gewissen so umnebelt ist, plötzlich aufwacht und die ganze Schwere seiner Lage sieht. Es hat aber auch manchen gegeben, der sich in seinem Gewissen dem treuen Ruf Jesu verschloß und die Sünde auf sexuellem Gebiet festhielt. Dann gibt es bittere Katastrophen, die zu der völligen Zerstörung des Lebens mit Jesus führen können. Aber wo es vor Menschenaugen zu spät zu sein scheint, ist es bei Jesus nicht zu spät. Bei ihm gibt es auch in letzter Stunde immer noch ein Zurück.

Der Lohn der Treue

Offb. 2,17: „Wer ein Ohr hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt. Dem Überwinder werde ich vom verborgenen Manna geben und werde ihm einen weißen Stein geben und auf den Stein einen neuen Namen schreiben, den niemand kennt, als der ihn empfängt.“


Mit großer Treue warnt der Geist jedes Glied der Gemeinde Jesu vor jedem Kompromiß mit der Sünde. Der Geist spricht auch in die verborgensten Gebiete des sexuellen Lebens hinein und weiß dort zu warnen, wo ein Menschenwort nicht mehr hinreicht. Wer still wird vor Jesus, wird volle Klarheit bekommen, was in seinem Leben Sünde ist, und aus aller Todesgefahr herausgeholt werden. Dem, der überwindet, dem, der die Versuchungen zum Kompromiß auf dem sexuellen Gebiet erkennt und abweist, verspricht Jesus etwas ganz Großes. Der Überwinder ist nicht

Christus an seine Gemeinde

der vollendete Heilige, der keine Niederlage mehr erlebt der hoch über allen sexuellen Versuchungen steht, sondern der der die Gefahr durchschaut und den Kompromiß in seinem Gewissen abwehrt. Wir alle werden immer wieder vielfältigen Versuchungen ausgesetzt bleiben und manche Narben und Wunden in diesem Kampf davontragen. Aber Jesus weiß, wer seine Sünde entschuldigt und wer der treuen Stimme des Geistes recht gibt, so daß Sünde Sünde bleibt.
Das verborgene Manna, das Jesus denen gibt, die die Versuchung zum Kompromiß auf sittlichem Gebiet überwinden, ist das Gegenstück zu der bitteren Speise, die uns die Sünde reicht. An dieser sterben wir; an dem verborgenen Manna, das Jesus gibt, werden wir gesund. Das verborgene Manna ist im Grunde er selbst, der das Brot des Lebens ist, und das er uns in dem verborgenen Umgang mit ihm schenkt jetzt hier auf Erden und einst in seiner vollendeten Gemeinde. Wenn wir über seinem Wort still werden und mit ihm im verborgenen Zwiegespräch sind, stärkt er uns durch das verborgene Manna.
Im Altertum wurden bei den Festspielen den Siegern von dem Leiter der Spiele Lorbeerkränze und Siegespreise überreicht. Die Empfänger der Lorbeerkränze und Siegespreise erhielten zur Beglaubigung ein kleines weißes Täfelchen, auf dem ihr Name eingraviert war. Dem Leiter der Wettkämpfe entspricht Jesus, der auch den Überwindern im Kampf des Glaubens verspricht, ein weißes Täfelchen zu überreichen, durch das er sie als Sieger anerkennt und in die vollendete Gemeinde aufnimmt. Was wird es eine Freude sein, wenn Jesus dieses volle Ja zu den Seinen ausspricht und sie am Ziel sind!
Diejenigen, die dann am Ziel sind, tragen nicht mehr ihren alten Namen, sondern empfangen von ihrem Herrn einen neuen. Der neue Name bedeutet die vollendete Umwandlung aller Glieder seiner Gemeinde, die Einlösung seines Wortes:
„Siehe, ich mache alles neu!" Dieses Wort steht am Ende des Weges der Gemeinde: Offb. 21,5.
Daß diesen neuen Namen niemand kennt als Jesus und der, der ihn empfängt, deutet darauf hin, daß in das letzte verborgene Verhältnis zwischen uns und unserem Herrn niemand hineinschauen kann - auch nicht der, der uns am allernächsten steht. 

Jesus - der Richter seiner Gemeinde

Das Allerletzte im Verhältnis zwischen Jesus und denen, die ihm verbunden sind, bleibt ein tiefes, heiliges Geheimnis zwischen uns und ihm selbst.


                                   




4. An die Gemeinde in Thyatira: Gemeindezucht

Offenbarung 2,18-29


Offb. 2,18a: „Dem Engel der Gemeinde in Thyatira schreibe."


Thyatira liegt in Kleinasien, sechzig Kilometer südöstlich von Pergamon. Es war eine Industriestadt, durch ihre Wollfärberei bekannt.
Thyatira ist dem Bibelleser interessant als die Heimat der Lydia in Philippi, der ersten Christin in Europa, die uns mit Namen bekannt ist (Apg. 16,14). In Thyatira befand sich eine mazedonische Kolonie. Dadurch war die Verbindung zwischen Thyatira und Philippi gegeben. Im zweiten Jahrhundert war Thyatira der Hauptsitz der schwärmerischen Bewegung der Montanisten.

Jesus, der unbestechliche Richter seiner Gemeinde

Offb. 2,18b: „Das sagt der Sohn Gottes, der Augen hat wie Feuerflammen, und dessen Füße wie glühendes Erz sind."


Dem erhöhten Herrn bleibt nichts in seiner Gemeinde auf Erden verborgen. Er sieht hinter alle frommen Kulissen. Wir haben keine Augen wie Feuerflammen, die durch und durch sehen können. Wir sehen den Menschen nur von außen, obwohl auch wir oft ahnen, was im Verborgenen eines Menschen lebt. Wir können durch fromme Worte getäuscht werden. Jesus werden wir nie täuschen.
Unser erhöhter Herr ist Geist wie Gott. Er ist der Herr, der Geist ist (2.Kor. 3,17). Aber wir verstehen die Bildersprache der Offenbarung, wenn sie sagt, daß seine Füße gleich glühendem Erz sind. Das Bild spricht aus, daß es dem Gerichtswort Jesu gegenüber keinen Widerstand gibt. Wie glühendes Erz alles verbrennt, so ist auch das Gerichtswort Jesu für den vernichtend, den es trifft.

Christus an seine Gemeinde

Es spricht hier nicht irgendein Mensch, sondern der Sohn Gottes. Die ersten Christen nannten Jesus den Sohn Gottes, weil keiner Gott so nahe steht wie er und in ihm das ganze Wesen Gottes verkörpert ist. Darum kann er auch in der Vollmacht Gottes handeln und das richtende Wort in Kraft aussprechen, dem sich keiner entziehen kann.
Auch für seine Gemeinde ist Jesus der unbestechliche Richter. Er schließt mit unserer Sünde keinen Kompromiß. Die Sünde seiner Gemeinde ist ebenso ernst wie die Sünde der übrigen Welt, ja noch ernster, weil seine Gemeinde den Geist Gottes hat und den vollen Blick für den Ernst der Sünde geschenkt bekam.
Das Wort von der Vergebung macht uns nicht lax im Gewissen. Es macht die Sünde vielmehr todernst. Wie sollten wir das noch lieben können, was Jesus ans Kreuz brachte. Wie sollten wir nicht alles hassen, wofür unser Herr gestorben ist.
Jesus weiß, wo das Wort der Vergebung und der freien Gnade von seiner Gemeinde in seinem Wesen verändert und zur Entschuldigung des Gewissens genommen wird. Die Gerechtigkeit allein aus dem Glauben, die Jesus uns am Kreuz erwarb, rettet uns nicht, wenn wir sie zum Deckmantel der Bosheit machen (1. Petr. 2,16). Mit ganzem Ernst ringt Paulus in Galater 5 darum, daß uns die Gerechtigkeit aus dem Glauben zu keinem Kompromiß mit der Sünde verleitet, sondern in uns eine Macht wird, die uns von der Sünde löst und den Früchten des Geistes freie Bahn macht.
Jesus allein weiß, wo die Gerechtigkeit aus dem Glauben zu einem reinen Gedankenspiel geworden ist und keine Macht über unser Leben gewann. Er allein weiß, wo aus seiner Vergebung ein billiges Wort wurde, das nur einen Gedanken darstellt, aber nicht in die Wurzeln unseres Wesens eingreift.
Jesus, der unbestechliche Richter seiner Gemeinde weiß, wo das Leben mit ihm nur Schein ist und er im Grunde nichts mehr zu sagen hat. Er wird mit ganzer Liebe, aber auch mit ganzem Ernst um den Menschen und die Gemeinde ringen, in der dies zutrifft. Er ist immer darauf aus, zu retten. Er kann aber auch mitten im Leben das Gerichtswort über ein Scheinglied seiner Gemeinde aussprechen. Aber dann ist sein letztes

Jesus- der Richter seiner Gemeinde

Ziel immer noch, zu retten und nicht zu richten. Aber ein Jünger Jesu und eine Gemeinde, die mit der Sünde spielt, muß damit rechnen, daß der Herr der Gemeinde schon auf Erden das Gericht über uns vollziehen kann.

Eine Gemeinde in lebendiger Entwicklung

Offb. 2,19: „Ich weiß deine Werke: deine Liebe, deine Treue, dein Dienen, ausdauernde Geduld und daß deiner letzten Werke mehr sind als die ersten.“


Jesus spricht nicht zuerst von dem schweren Schaden in der Gemeinde in Thyatira, der diesen Brief veranlaßt hat und ihm solche Sorge macht. Sein erstes Wort gilt all dem Guten, das er in seiner Gemeinde sieht, an dem er sich von Herzen freut. Sein Wort ist nie nur negativ, sondern zuallererst positiv. Überall dort, wo Jesus unsere Denkart beeinflussen kann, wird auch bei uns das positive Wort an erster Stelle und das negative an zweiter Stelle stehen. Jesus sagt: „Ich weiß deine Werke." Damit denkt er an alles, was seiner Gemeinde aus der nahen Glaubensverbindung und Lebensgemeinschaft mit ihm erwachsen ist. Das ist nichts Formales, sondern etwas ganz Lebendiges. Das umschließt nicht nur die praktische Tat, sondern die innerste Haltung, aus der alles geboren wird. 
Darum nennt Jesus an erster Stelle unter den Werken seiner Gemeinde die Liebe, die ihm und den Brüdern gilt. Die Liebe zu Jesus, die ihren Widerschein in der Liebe zu den Brüdern hat, ist die stärkste Kraft und der untrügliche Kompaß im Gewissen seiner Gemeinde. Wo die Liebe zu Jesus uns bestimmt und regiert, wird unser Gewissen klar und fein arbeiten und der Weg in der Praxis des Lebens uns deutlich werden. Die Liebe zu Jesus ist eine starke Kraft, die den Alltag des Lebens formt.
An zweiter Stelle nennt Jesus die Glaubenstreue, die er in seiner Gemeinde beobachtet. Alles, was auf sie einstürmte, alle Verfolgung, alles Einsamwerden um Jesu willen, hat seine Gemeinde in der Glaubenstreue Jesus gegenüber nicht irremachen können. Sie kann von dem nicht lassen, der ihr das Wertvollste im Leben geworden ist.

Christus an seine Gemeinde

Als drittes Stück der „Werke" seiner Gemeinde nennt Jesus den Dienst, den seine Gemeinde auf vielfältige Weise tut, um ihr Leben mit Christus zu gestalten und die einzelnen Glieder der Gemeinde am Leben zu erhalten. Die mannigfaltigen Gaben zum Dienst, die Jesus seiner Gemeinde gibt
(Röm. 12 und 1. Kor. 12), sind in der Gemeinde Thyatira treu verwaltet worden. Sie ist keine passive Gemeinde, keine stumme, untätige Zuhörerschaft. Ein lebendiger Dienst ist in ihrer Mitte im Gang, der das Leben mit Christus im Fluß erhalten will.
Als viertes Stück nennt Jesus die ausdauernde Geduld, die unermüdliche Standhaftigkeit, mit der seine Gemeinde allen Versuchungen widersteht, die sie lahmlegen und müde machen wollen. Es tritt so viel an uns heran, was das Leben mit Christus lähmen will: der harte Kampf um die Existenz im wirtschaftlichen Leben, der Spott der Kollegen und Freunde, die bitteren Erfahrungen mit anderen Gliedern der Gemeinde, die große Not um uns selbst und unsere eigenen Schwächen und Niederlagen. Dem allem ist die Gemeinde mit ihrer unermüdlichen Standhaftigkeit und ausdauernden Geduld begegnet.
Alle diese „Werke", all dieses neue Leben, das aus der Gemeinschaft mit dem Herrn der Gemeinde geboren ist, nimmt nicht ab, sondern ist in beständigem Wachstum begriffen. Das Leben mit Christus befindet sich in einer lebendigen Entwicklung.

Eine Gemeinde in der Verirrung

Offb. 2,20: „Aber ich habe wider dich, daß du dein Weib Isebel gewähren lässt, die sich für eine Prophetin ausgibt und meine Knechte lehrt und verführt, Hurerei zu treiben und Götzenopfer zu essen."


In der Gemeinde Thyatira lebt eine Frau, die über die Gewalt des Wortes verfügt und einen Teil der Gemeinde an sich fesselt. Fast scheint es, als wäre es die Frau des Vorstehers der Gemeinde gewesen, denn jeder Brief ist in erster Linie an den Vorsteher gerichtet, und Jesus sagt an dieser Stelle:
„Dein Weib Isebel." Wenn dem so ist, so wäre über die Gemeinde Thyatira eine ganz große Not gekommen, weil die Frau des Vorstehers ihre Stellung und ihr faszinierendes Wort
Sterbende Glieder der Gemeinde dazu gebraucht hätte, um das Leben der Gemeinde zu unterhöhlen. Der Name Isebel wird ihr beigelegt in Erinnerung an das Weib des schwachen Ahab (2.Kön. 9), die für ihren Mann und die Gemeinde Gottes zu solcher Gefahr wurde.
Es besitzt weder der Vorsteher der Gemeinde in Thyatira noch die Gemeinde selbst die Kraft, dieser redegewaltigen Frau in ihrer Mitte entgegenzutreten und ihren Einfluß zu überwinden. Durch das Wort dieser Scheinprophetin ist der schmale Weg sehr breit geworden und ein tiefer, folgenschwerer Einbruch auf dem Gebiet des sexuellen Lebens erfolgt. Unter dem Vorwand, die Tiefen des Satans erkennen zu müssen (V. 24), wurde der Zuchtlosigkeit auf sexuellem Gebiet und dem Kompromiß mit dem Heidentum Tür und Tor geöffnet. Ein Fäulnisherd schwerster Art hatte sich inmitten der Gemeinde gebildet, und sie besaß keine Kraft, ihn zu überwinden.
Wenn die Gemeinde nicht imstande ist, echte Gemeindezucht zu üben, greift Jesus selbst ein, um seine Gemeinde zu retten. Menschliche Gemeindezucht ist eine geringe Sache gegenüber der Zucht, die Jesus selbst übt, die aus Liebe mit unerbittlicher Härte durchgreift.

Offb. 2,21: „Ich habe ihr Zeit gegeben, daß sie Buße tue, und sie will nicht Buße tun von ihrer Hurerei."


Jesus kann lange warten. Seine Geduld in unserem Leben ist unglaublich. Wir können es oft nicht fassen, wie lange er schmerzliche Dinge in unserer Lebensgeschichte trägt.
Das hatte er auch bei dieser gefährlichen Frau in der Gemeinde Thyatira getan. Er hat ihr Zeit gegeben, sich zu besinnen, Buße zu tun und die Vergebung Jesu zu suchen. Aber sie hat nicht gewollt.
Unsere Unbußfertigkeit ist immer eine Willensentscheidung.
Wenn Jesus uns zur Buße ruft und uns Zeit zur Umkehr gibt, ist sie wirklich möglich. Wir haben keine Entschuldigung, wenn wir seine Geduld mißbrauchen. Unser Nein zu dem treuen Ruf Jesu ist nicht durch die Lebensumstände begründet, sondern allein in unserem Willen.

Offb. 2,22.23a: „Siehe, ich werfe sie auf ein Siechbett und, die mit ihr Ehebruch treiben, in große Trübsal, wenn sie nicht Buße tun von ihren Werken, und ihre Kinder werde ich durch eine Seuche töten."


Christus an seine Gemeinde

Wenn wir zu dem treuen, geduldigen Ruf Jesu beharrlich nein sagen, antwortet er mit seinem Gericht schon hier auf Erden. Er tut es aus Liebe. Es ist ihm schwer, eins seiner Kinder so hart treffen zu müssen. Aber es ist sein letzter Versuch, uns zu retten. Er tut alles, um uns nicht verlorengehen zu lassen.
Darum wirft er diese Frau, die eine solche Gefahr für die Gemeinde ist, auf ein Siechbett, das ihre Kraft verzehrt und sie mundtot macht. Er trifft nicht nur sie selbst, sondern er trifft sie in ihren leiblichen Kindern, die von einer Seuche hinweggerafft werden sollen. Jesu Gericht ist tief und einschneidend. Er will seine Gemeinde retten und vor weiterer innerer Ansteckung bewahren.
So sicher sein Gericht die Verführer der Gemeinde treffen wird, so deutlich gibt er den von ihr Verführten noch eine letzte Möglichkeit zur Buße. Auf Schritt und Tritt merken wir, daß er in allem Gericht dennoch der Retter und nicht der Richter ist.

Offb. 2,23b: „Alle Gemeinden werden erkennen, daß ich es bin, der Nieren und Herzen erforscht, und ich werde einem jeden von euch vergelten nach euren Werken."


Das Gericht Jesu inmitten der Gemeinde Thyatira wird so erschütternd sein, daß die Kunde davon durch alle Gemeinden geht. Überall wird man erschrecken und neu erkennen, daß Jesus nicht nur der Versöhner, sondern auch der Herr seiner Gemeinde ist. Es wird neu deutlich werden, daß ihm gegenüber keine fromme Fassade und kein frommer Schein möglich ist, sondern daß Jesus wirklich Nieren und Herzen erforscht und der unbestechlihe Richter seiner Gemeinde ist.

Die Stärkung der treuen Gemeinde

Offb. 2,24.25: „Euch aber, den übrigen in Thyatira, sage ich, wie viele diese Lehre nicht haben, welche nicht die Tiefen des Satans erkannt haben – wie sie sagen - auf euch lege ich keine weitere Last, außer: das, was ihr habt, haltet fest, bis ich komme.“


Apostelgeschichte 15 uns berichtet uns, wie die Urgemeinde zu Jerusalem in entscheidungsvoller Stunde das Evangelium gerettet hat und sich dafür entschied, daß wir ganz allein durch

Stärkung der treuen Gemeinde

die Gnade des Herrn Jesu gerettet werden und daß kein Joch eines frommen Gesetzes auf uns gelegt werden sollte (Apg. 15,9-11). Aber sie besaß zugleich die Weisheit, grundsätzliche seelsorgerliche Linien auszusprechen, die für die jungen Gemeinden aus den Heiden lebensentscheidend waren.
Zwei dieser seelsorgerlichen Ratschläge, die die Gemeinschaft mit den Jüngern Jesu aus Israel betreffen, sind bald versunken, weil sie keine praktische Bedeutung mehr hatten. Aber die beiden anderen seelsorgerlichen Linien, keinen Kompromiß durch Teilnahme an heidnischen Gottesdiensten und durch Zuchtlosigkeit auf sexuellem Gebiet zu schließen, behielten ihre Bedeutung.
Das sind die beiden Linien, die Jesus seiner Gemeinde in Thyatira neu einschärfen will. Jeder Kompromiß auf diesen beiden Lebensgebieten muß das Leben mit Jesus zerstören.
Eine andere Last und einen anderen Befehl legt Jesus der Gemeinde in Thyatira nicht auf. Aber diese beiden Linien soll sie kompromißlos bis zum Ende festhalten. Daran hängt ihr Leben. Die Gemeinde Jesu kann vor dem Auge ihres wiederkommenden Herrn nicht bestehen, wenn sie die Stimme Jesu im Blick auf diese beiden Lebensgebiete überhört.

Offb. 2,26.27: „Wer überwindet und meine Werke bis ans Ende festhält, dem werde ich Macht über die Heiden geben, und er wird sie mit eisernem Stabe weiden, wie die irdenen Gefäße zertrümmert werden.“


Wer an den Lebenslinien Jesu festhält und um ihre Durchsetzung auf allen Gebieten des eigenen Lebens ringt, der wird an den Regierungsfunktionen des wiederkommenden Herrn teilhaben, wenn er das erschütternde Endgericht über alle die bringt, die sich ihm in ihrem Leben entzogen haben. Dann ist es zu spät. Er wird wiederkommen, zu richten die Lebendigen und die Toten. Es kommt die Stunde, da Jesus nicht mehr der Retter ist, sondern ganz allein der Richter. Wer dann ihm nicht verbunden ist, ist verloren. Das unbestechliche Urteil unsers Herrn durchschaut die Scheinfrömmigkeit.

Offb. 2,28: „Wie auch ich von meinem Vater empfangen habe, so will ich ihm den Morgenstern geben.“


Jesus hat von seinem Vater das Christusamt empfangen, das die Welt- und Menschheitsgeschichte ihrem großen Endziel entgegenführt.

Christus an seine Gemeinde

Er ist der Anfänger und Schöpfer einer zweiten Menschheit, die an dem Tag vollendet sein wird, an dem er aus der Verborgenheit hervortritt. Dann beginnt der helle Tag der Menschheitsgeschichte. Wie mit dem Morgenstern der Einbruch des hellen Tages gekennzeichnet ist, so wird mit dem Kommen Jesu der neue Tag Gottes für die Menschheit anbrechen. Jesus ist in Wahrheit der Morgenstern, der mit seinem Kommen der Welt kundtut, daß ihr bitterer Weg zu Ende ist und mit ihm die neue Welt Gottes anbricht.
Daß der Weg der Menschheit zunehmend in die dunkle Nacht geht, ist uns im 20. Jahrhundert eine erschütternde Tatsache. Darum ist es für uns eine doppelt große Kunde, daß Jesus der Morgenstern ist und mit ihm alle Nacht der Menschheitsgeschichte ein Ende hat. Aber das Kommen Jesu bedeutet für uns die ewige Katastrophe, wenn wir nicht ehrlich ihm verbunden sind und bei aller Begrenzung und Schwachheit kompromißlos in unserem Gewissen ihm offen geblieben sind.
Wer aber an den Gewissens- und Lebenslinien Jesu festhält, dem wird er „den Morgenstern geben". Er wird ihn an seinem großen Tag teilhaben lassen, der den Einbruch der neuen Gotteszeit für die Menschheit bringt.

Offb. 2,29: „Wer ein Ohr hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt."


Das Wort, das der erhöhte Herr der Gemeinde in Thyatira geschrieben hat, ist in eine bestimmte Lage hineingesprochen, und doch zugleich überzeitlich ein Wort an die Gemeinde Jesu zu allen Zeiten, das der Geist Gottes jedem einzelnen von uns und jeder Gemeinde der Gegenwart in die eigene Lage zu übersetzen weiß.
Für jede Gemeinde des Herrn Christus in der Gegenwart aber wird deutlich, daß sie mit ganzem Ernst und heiligem Einsatz darum ringen muß, die Fäulnisherde in ihrer Mitte zu überwinden.

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